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Dem Frieden auf der Spur

Mein Garten wird von Heerscharen von Schnecken heimgesucht. Glitzernde Schleimspuren ziehen sich durch die Beete. Die Pflänzchen, die ich liebevoll aus Samen gezogen habe, sie erst in meinem Wohnzimmer, dann auf dem Balkon gepflegt und mich jeden Tag daran erfreut habe, werden mit Blatt und Stiel vertilgt, sobald sie im Beet stehen. Da helfen weder Schneckenkragen noch irgendwelche andere Tipps und Tricks, um die Tierchen zu überlisten. Ich bin kurz davor, das Gärtner aufzugeben. Soviel Arbeit, jede freie Stunde im Garten, nur damit alles von den Schnecken weggefressen wird? Ich habe ihnen meine Freundschaft gekündigt und sie in meiner Wut schon mal durch die Luft geschleudert (natürlich nur die ohne Haus). So kann das nicht weitergehen. Also hab ich mich hingesetzt und mir ein paar Fragen gestellt?

Was wollen mir die Schnecken sagen?

Als erstes fiel mir ein: Ich bin im Kampf. Im Widerstand. Ich will kontrollieren. Ich bin mit meinem Denken im Mangel. Und wahrscheinlich will ich zuviel und bin zu ungeduldig. Ich gehe noch zu sehr in den Garten und mache nach meinen Vorstellungen, anstatt mich mit ihm und seinen Wesen zu verbinden und gemeinsam mit ihnen zu gestalten. Also zeigen mir die Schnecken, dass das so nicht geht.

Wenn ich in einer friedvollen Welt leben will und diese schon im Kleinen hier in meinem Garten aufbauen will, darf ich erst einmal aufhören zu kämpfen und mich dem natürlichen Fluss des Lebens hingeben. Und den Blick auf die Fülle richten, denn sie ist da. Nicht nur die Fülle, sondern die Überfülle, auch wenn nicht gerade da, wo ich sie haben möchte. Eben nicht so, wie ich es kontrollieren will. Also darf ich auch lernen, die Kontrolle abzugeben, zusammen mit meinem Ego. Im Schuppen findet sich schon ein Plätzchen dafür. Und ich darf Geduld lernen. Einmal, dass es eben Zeit braucht, bis mein Boden so beschaffen ist, dass die Schnecken keinen Bedarf mehr verspüren, ihn noch zu bearbeiten. Dabei denke ich nicht nur an die Erde in meinen Beeten sondern auch an den Boden in mir selbst. Wo braucht es da vielleicht noch tiefere Wurzeln, sprich Vertrauen, zum Beispiel, dass am Ende genug für alle da ist? Und wenn es in diesem Jahr nicht der Sellerie oder die Sonnenblume ist, die wachsen, wächst dafür etwas anderes. Oder kann ich Pilze einbringen, um die Kommunikation zwischen den Pflanzen zu verbessern, sprich meine Intuition und Kommunikation mit den Pflanzen und den Naturwesen mehr pflegen und stärken? Meine Aufmerksamkeit auf die Fülle richten und dafür dankbar sein, was wächst, anstatt mich darüber zu ärgern, was gefressen wird. 

Ja, ich werde aufgeben. Aber nicht das Gärtnern, sondern das Kämpfen, die Widerstände und den Mangel. Denn sie sind es, die mich erschöpfen. Stattdessen werde ich lernen, aus der Fülle, dem Vertrauen und dem Fluss des Lebens zu schöpfen und mit dem zu sein, was ist. Nun werde ich meine Pflanzen nicht einfach so den Schnecken überlassen. Ich werde sie weiterhin absammeln und wegtragen und hin und wieder werde ich bestimmt noch wütend werden. Aber ich werde mich darin üben, die Gelassenheit und den Humor und mehr Leichtigkeit mit auf meine Gartenrundgänge zu nehmen, damit der Friede endlich einkehren kann. In meinem Herzen und in meinem Garten. Denn wie soll ohne Frieden etwas Neues wachsen? Der glitzernde Schleim der Schnecken soll mich fortan daran erinnern, immer dem Frieden auf der Spur zu sein. 

 

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