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Streck deine Wurzeln aus.

Vor einigen Tagen durfte ich wieder einmal auf sehr eindrückliche Weise erfahren, dass die Natur unser bester Lehrer ist. In einem Permakultur-workshop ging es darum, wie man Gemüse anbaut, ohne dass die Schnecken alles wegfuttern. Nun muss man wissen, dass Schnecken im Grunde sehr nützliche Mitarbeiter in unseren Gärten sind und nur schwache und kranke Pflanzen fressen, die da nicht hingehören. 

Setzlinge, die wir im Gartencenter kaufen, stammen aus grossen Monokulturen. Sie sind verwöhnt, denn sie bekommen Wasser, Licht, Dünger, die richtige Temperatur in dem Masse, wie sie es brauchen. Sie müssen sich kein bisschen anstrengen und ihr Immunsystem ist dementsprechend kaum bis gar nicht ausgeprägt. Sie sehen zwar schön und gesund aus, aber das war’s dann auch. Ein gefundenes Fressen für die Schnecken.

Das Geheimnis liegt nun darin, dass man den kleinen Pflänzchen ermöglicht, ihre Würzelchen auszustrecken, an welchen sich das für die Nährstoffaufnahme wichtige Pilzgeflecht bilden kann und sich schon miteinander zu verbinden, bevor sie ins Beet kommen. Sie werden nur so wenig gegossen, dass sie grade überleben und zum Abhärten für ein paar Tage an einen rauhen Ort gestellt und dann noch ein paar Tage neben das Beet, um schon Pheromone und anderes zu erschnuppern. So bilden sie ein starkes Immunsystem und können sich dann im Beet schnell wieder unterirdisch vernetzen. Ein Setzling, der sich auf solche Weise mit seinen Wurzeln und den Pilzgeflechten mit anderen Setzlingen und Beikräutern verbinden kann, wird vielleicht ein wenig von den Schnecken angeknabbert aber nicht gefressen und kann zu einer kräftigen und gesunden Pflanze heranwachsen und ihren Teil an der Fülle, die uns die Natur schenkt, beitragen.

Ich sehe darin eine wunderbare Metapher für uns Menschen. Sind wir nicht ebenso wie die Setzlinge, Gewächse aus einer lieblosen Monokultur? Verwöhnt zwar mit allerlei Wohlstandsannehmlichkeiten, hübsch anzusehen, aber schwächlich und mit eher angeschlagenem Immunsystem, sei es auf den Leib oder auf die Psyche bezogen? Eine leichte Beute für das immerhungrige System, wofür hier die Schnecken als Symbol herhalten müssen; sie mögen es mir bitte verzeihen. Geht es nicht gerade jetzt darum, dass wir uns untereinander vernetzen, unsere Wurzeln wachsen lassen und unterirdisch = unter dem Radar des Systems, ausstrecken und uns an das Pilzgeflecht des wahren Lebens anschliessen, das uns mit den Nährstoffen Mut, Zuversicht, Vertrauen, Freude, Geduld usw. versorgt? Die rauhen Umstände des Zeitgeschehens zwingen uns, unsere Stärken zu mobilisieren und gleichzeitig schnuppern wir schon die Düfte der Freiheit. Zeigt uns dieses Bild nicht schön, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass wir nicht verzweifeln müssen, wenn wir jetzt noch keine Früchte sehen? Wenn unsere Wurzeln gut ausgebildet und im Boden der Liebe stark miteinander vernetzt sind, kann uns keine Systemschnecke mehr etwas anhaben, und wir wachsen natürlicherweise zu starken Menschen heran und bringen die Fülle unserer Gaben auf eine neue Erde.

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