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Die Wächter in uns

Sie sind schon lange da, tun ihren Dienst im Verborgenen und meistens merken wir nicht einmal, dass sie da sind, und dass sie uns vor etwas beschützen. 

Sie sind in uns entstanden, als wir seelische Verletzungen erlitten haben. Meist in der Kindheit. Damals haben sie uns das Leben gerettet. Sie haben eine Schutzmauer um unser Herz errichtet und sich in ihrer Rüstung davor gestellt. Aber es gibt nichts mehr, wovor sie uns beschützen müssten, denn die Verletzungen, deretwegen sie ins Leben gekommen sind, gehören in die Vergangenheit. 

Jedes Mal, wenn wir in unserem Leben in Situationen geraten, die den alten Schmerz auch nur annähernd berühren könnten, treten diese Wächter ihren Dienst an. Sie tun ihn gewissenhaft und mit grossem Elan. Und wie gesagt, ohne dass wir es bemerken. 

Ihre Gesinnung ist gut, sie wollen uns vor weiterem Schmerz bewahren und das gelingt ihnen meist auch. Das Dumme ist nur, dass sie damit auch der Liebe und dem Wachstum in uns die Türen verschliessen. 

Die Wächter blockieren uns jedes Mal, wenn uns das Leben eine Gelegenheit schenkt, über den alten Schmerz hinauszuwachsen und damit ein Stück freier und liebender zu werden. Sie schicken uns zurück in unsere Komfortzone, wo sie glauben, wir wären in Sicherheit. 

Sie bestätigen unseren Rückzug, indem sie uns glauben machen, es wäre Selbstliebe, dass wir so gut für uns sorgen und dass wir so zu uns stehen, wie wir nun einmal sind, weil wir uns dieser Anstrengung, uns mit dem alten Schmerz zu konfrontieren, nicht aussetzen. Sie wollen nicht, dass wir heilen, denn dann würden sie ihre Daseinsberechtigung und ihren Job verlieren. 

Um wirklich wachsen zu können, ist es hilfreich, wenn wir diese Wächter in uns aufspüren, sie kennen lernen und uns bei ihnen für ihre Arbeit und ihre gute Absicht bedanken.

Dann können wir ihnen erklären, dass wir jetzt erwachsen sind und selber das Ruder in die Hände nehmen. Wir können ihnen eine neue Aufgabe übertragen, z.B. dass sie uns dabei helfen, die alten Wunden nun nicht mehr zu verstecken, sondern sie endlich zu erkennen und zu heilen. Wir können ihnen erlauben, uns sanft an den alten Schmerz heranzuführen und ihn liebevoll in unser Herz zu holen, um ganz und damit heil zu werden. Erst dann kann die Liebe wirklich in und durch uns fliessen. Die Mauern, die wir um unsere Herzen erbaut haben, können fallen und wir können wahre Nähe zu uns selbst und zu anderen zulassen, ohne uns bedroht zu fühlen. 

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