Ich mag keinen Streit.
Meinen Mund halten kann ich aber auch nicht, was mich im Verlauf meines Lebens schon öfters in Schwierigkeiten gebracht hat. Wie oft habe ich mir deshalb schon gewünscht, ich würde diese Kunst beherrschen.
Dazu fällt mir der Spruch „die Kunst des Streitens“ ein. Hier treffen also zwei Künste aufeinander: jene des Streitens und jene des Schweigens zur richtigen Zeit. Ist nicht das Leben zu meistern, an sich schon eine Kunst?
Streit ist Kampf, ist Spaltung und Energieverlust. Dabei geht es meistens um Missverständnisse. Menschen drücken sich nicht präzise aus, sei es, weil ihr Wortschatz nicht ausreicht, sei es aus Bequemlichkeit, die Worte aus selbigem hervorzukramen, sei es, weil sie sich ihrer Bedürfnisse nicht bewusst sind oder sich nicht wagen, sie auszusprechen, oder weil sie mit dem „falschen“ Ohr zuhören.
Meine Mutter hat oft des lieben Friedens willen geschwiegen. Als Frieden habe ich diese Situationen allerdings nie empfunden, eher als Rückzug von der Kriegsfront und als Ungerechtigkeit. Vielleicht gelang es mir deshalb nie, meinen Mund zu halten, denn wenn ich Ungerechtigkeiten sehe, spreche ich sie an.
Bei einem Streit knallen zwei Egos aufeinander, die beide recht haben wollen. Es ist ein Schlagabtausch im wahrsten Sinn des Wortes, bei dem es darum geht, die eigene Sichtweise durchzusetzen, den anderen zu überzeugen oder zu verletzen.
Wen bringt das weiter?
Ich habe keine Lust mehr auf Kämpfe jeglicher Art, weder gegen andere Menschen, noch gegen Umstände oder gegen mich selbst. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich mich allem widerstandslos ergebe. Auch nicht, dass mein Mund immer verschlossen bleibt. Ich mag zwar nicht streiten, aber ich stehe für mich und meine Werte ein. Und ich habe inzwischen zu unterscheiden gelernt, wann es sinnvoller ist zu schweigen und wann etwas zu sagen. Jedenfalls gelingt mir das öfter als früher.
Ich finde, wir sollten damit aufhören, unsere Energie in Lebensfreude raubenden Wortgefechten zu verpulvern, nur um unsere Köpfe durch eine bestimmte Wand hindurch zu rammen, oder um die bedürftigen kleinen Kinder in uns zu besänftigen.
Stattdessen wünsche ich mir, dass wir öfters in uns selbst hineinlauschen, um uns kennenzulernen mit all unseren Absichten, Wünschen, Bedürftigkeiten und sonstigen Stolpersteinen auf dem Weg zum inneren Frieden. Wenn wir diesen in uns finden, haben wir es nicht mehr nötig zu streiten. Wir wissen dann, dass wir alles in uns finden, was wir für unser Glück brauchen. Dann haben wir auch die Ruhe, dem Gegenüber zu lauschen, ohne gleich unsere Sicht der Dinge auf ihn abzuschiessen. Wir gestehen ihm dann das gleiche Recht zu, zu sein wie er ist und die Welt zu sehen wie er sie eben sieht, wie wir es uns für uns selbst herausnehmen.
Ich wünsche mir auch, dass wir den Schatz an Worten in unserer wunderschönen deutschen Sprache wieder entdecken und ihn als fein ziseliertes Geschenk unseren Mitmenschen überreichen. Dann können wir auch für unsere Sichtweisen eintreten, ohne den anderen zu zertreten und befähigen uns, unseren Mitmenschen mitzuteilen, was uns wirklich bewegt.
So wachsen wir aus dem Gegeneinander und dem Aneinander vorbei heraus ins Verstehen und von dort hinein ins Miteinander.
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