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Gefühle wollen gefühlt werden

Viele seelische Wunden tragen wir seit unserer Kindheit in uns. Die Gefühle, die sich darin eingekapselt haben, lassen sie nie ganz heilen. Ich stelle mir diese Gefühle gerade vor wie buntes Gas, je nach Gefühl eine andere Farbe, eingeschlossen in kleinen Blasen. Wenn etwas in unserem Leben geschieht, was ein solches altes Gefühl berührt, eine Kränkung, eine Enttäuschung, eine Zurückweisung, was auch immer, dann steigen diese Blasen auf wie Kohlensäure in einem Getränk. Sie bleiben in unserem Herzen, in unserem Hals, im Bauch oder anderswo stecken. Uns ist unwohl, es tut weh, vielleicht packt uns Unruhe. Unser erster Impuls ist wahrscheinlich, uns abzulenken. Wir stürzen uns in eine Tätigkeit, stellen den Fernseher an, oder Musik. Vielleicht machen wir Sport oder wir versuchen, den Schmerz mit Essen oder anderem zu betäuben. Aber das Gefühl ist noch da, versteckt unter dem Lärm oder der Aktivität der Ablenkung. Die Blasen zischen in uns, sie fordern unsere Aufmerksamkeit. Wir versuchen weiter, die aufsteigende Flut hinunter zu drücken. Wir ärgern uns, schimpfen über die Menschen, die sich so falsch verhalten haben, dass wir jetzt leiden müssen. Oder über die Situation, die ja wirklich so blöd war. Wir führen innere Dialoge, fangen an, uns selbst zu verteidigen und schliesslich zu verurteilen, weil wir wieder in das alte Muster gefallen sind. Wir denken oder reden uns müde. Und vielleicht gelingt es uns sogar, das Gefühl, das uns so zu schaffen macht, wieder in die Tiefen unseres Seelenkellers zurück zu drängen. Aber es ist noch da, bereit bei der nächsten Gelegenheit wieder aufzusteigen.

Es will gehört werden. Es will gesehen, anerkannt und gewürdigt werden. Es will, dass wir es als einen Teil von uns akzeptieren. 

Es will gefühlt werden.

So richtig, mit der ganzen Liebe, die wir aufbringen können. Genauso wie das kleine Kind, das wir damals waren, als die Verletzung geschah. Und es will verstanden und ernst genommen werden. Also setzen wir uns doch einmal hin, nehmen es auf unseren Schoss und hören ihm zu. Lassen es uns erzählen, welche Bedürfnisse in ihm verborgen sind und was es von uns braucht. Nicht von einem anderen Menschen. Nur von uns. Und dann geben wir ihm das Gewünschte und bedanken uns und drücken unser inneres Kind fest an unser Herz.


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Kommentare: 1
  • #1

    Seraphina (Samstag, 08 April 2017 22:51)

    Da kommen mir fast die Tränen. Unsere armen inneren Kinder. :'(
    Gut geschrieben!